Am letzten Samstag im Juli war es mal wieder so weit: In Stuttgart fand der Höhepunkt des Christopher-Street-Day (CSD) statt – die Parade durch die Innenstadt. Dieser Feiertag für die sexuellen Minderheiten ist mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das war nicht immer so. Im Jahr 2000, als hier der erste größere CSD stattfand, verlegte die Stadtverwaltung die Parade noch verschämt auf die weiter außerhalb liegende Olgastraße Richtung Schlossplatz. Und es gab eine Gegendemonstration mit der dafür notwendigen Polizeipräsenz. Die Jahre davor fanden, wenn überhaupt, nur kleine, zumeist von der Bevölkerung kaum beachtete Umzüge statt.
Vielleicht ist es gerade die zur Normalität gewordene Festivität, die gerne vergessen lässt, welchen politischen Anspruch Lesben und Schwule mal ursprünglich hatten. Heute scheint es auf die richtigen Buchstaben anzukommen: LSBIQ – oder vielleicht doch lieber LSBTTIQ? Gefühlt jedes Jahr wird noch ein Buchstabe und somit auch eine weitere Gruppe hinzugefügt, die Minderheit sein möchte. Da kann man schnell den Überblick verlieren.
Und das heißt auch: Eine Bevölkerung, die sich von immer neuen, zum Teil fantastisch wirkenden Minderheiten unter Druck gesetzt fühlt, wird überfordert. Den Bogen darf man nicht überspannen. Die Toleranz der heterosexuellen Mehrheit kann auch in die Brüche gehen – mit schwerwiegenden Folgen.
Doch genießen wir erst einmal den Karneval im Sommer.
Bild: Netzfund, eigene Montage