Eigentlich wäre es ein Grund zur Freude gewesen. Am 3. Oktober erklang ausnahmsweise unsere Nationalhymne als Glockenspiel vom Rathausturm – ganz so wie es unsere Fraktion in einem Antrag vom 19. Juni mit dem Titel „Glockenspiel im Rathausturm“ gefordert hatte (allerdings nicht nur am Nationalfeiertag, sondern täglich). In anderen Ländern Europas wäre das eine Selbstverständlichkeit und würde auch nicht von einer Zeitung als „rechtsradikal“ verunglimpft. Nicht aber in Stuttgart.
Hinzu kam die äußerst seltsame, man könnte auch sagen, schräge Darbietung unserer Nationalhymne per Glockenspiel. Der Zuhörer wurde das Gefühl nicht los: Irgendetwas stimmt hier nicht. Während die sogenannte EU-Hymne täglich und fehlerfrei abgespielt wird, war dies offenbar bei der Nationalhymne nicht möglich. Absicht?
Oder ist dies am Ende symptomatisch für unser Land – ja für unsere Nation? Dies gilt natürlich nicht nur für fehlerhafte und seltene Glockenklänge. Wie Mehltau liegt über der Gesellschaft schon seit Jahren dieses dumpfe Gefühl der Leere, die grundsätzliche Ablehnung von Nationalgefühl. Eine von oben gesteuerte Tabuisierung jenes Bewusstseins führt immer wieder zu seltsamen Szenen, die es nur hierzulande gibt. Dies lässt sich bald 80 Jahre nach dem Ende des Dritten Reichs auch nicht mehr sachlich erklären. Vielmehr ist es verbunden mit einer Erinnerungskultur, die gar nicht mehr der Erinnerung dient, die in die Zukunft wirkt, sondern einem verklärenden Blick zurück, voller Verlangen nach Absolution und Anerkennung.