Gegen Sprachmanipulation: Wie eine friedliche Demonstration umgedeutet werden soll

Gegen Sprachmanipulation: Wie eine friedliche Demonstration umgedeutet werden soll

Ein Brief an den Stuttgarter Oberbürgermeister

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper,

in der Debatte der Gemeinderatssitzung am 15. April sagten Sie sinngemäß, man sollte vielleicht darüber nachdenken, was der Begriff ‚friedlich‘ im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit bedeute.

Ich habe Ihre Äußerung so verstanden, dass Sie damit konziliant auf den Vortrag mehrerer Redner eingehen wollten, die die These vertraten, Demonstranten, die sich ordnungswidrig über eine Maskenpflicht hinwegsetzten, verhielten sich nicht friedlich, denn sie gefährdeten damit ja die Gesundheit Anderer.

Ob eine solche Gefährdung in nennenswertem Ausmaß tatsächlich vorgelegen haben mag, darüber kann und muss man faktenorientiert diskutieren. Ich bezweifle es. Aber das ist nicht das Problem, das ich ansprechen möchte.

Das offensichtliche Bestreben, dem Begriff ‚friedlich‘ eine neue Bedeutung zu geben, ist ein typisches Beispiel dafür, wie mit sprachlichen Mitteln eine Vorstellung der Wirklichkeit geschaffen werden soll, die den politischen Zielen von Systemveränderern dient.

Nicht mehr das, was ein normaler, verständiger Mensch unter einer friedlichen Versammlung versteht, soll gelten, sondern es soll der Deutungshoheit derer unterliegen, denen es um die Macht geht. Ein Begriff soll „dekonstruiert“, damit seiner Bedeutung beraubt und der Willkür jener ausgeliefert werden, die ihn für ihre Zwecke dann beliebig in Stellung bringen können.

Deutlich kann man diese Methode am Umgang mit dem Begriff der Gewalt erkennen, der bereits eine solche Umdeutung erfahren hat. Scheinbar selbstverständlich ist die Rede von sogenannter „struktureller Gewalt“, die etwa in der ungleichen Verteilung von Einkommen, Bildungschancen oder Lebenserwartungen zum Ausdruck komme. Dabei handelt es sich nicht um ein belangloses sprachliches Detail, sondern es wird auf diese Weise ein künstlicher Opferstatus erzeugt, der zur Durchsetzung beliebiger Forderungen dienen soll, bis hin zur Rechtfertigung angeblicher Gegengewalt. Der Gerechtigkeitssinn der Adressaten wird ausgenutzt und gegen sie verwendet. Es gibt noch viele Beispiele für diese Methode, über die Sprache Macht zu erlangen.

Wenn wir zulassen würden, dass der Begriff ‚friedlich‘ aufgeweicht und sein Inhalt zur Disposition gestellt wird, verlören damit verbundene Regeln und die darauf beruhende Rechtsprechung ihre Grundlage und wären völlig beliebig interpretierbar, also denen ausgeliefert, die die Macht hätten, ihre Interpretation durchzusetzen, sei es in staatlichen Institutionen oder durch den sogenannten Druck der Straße. In letzter Konsequenz könnten sogar schon Meinungen oder politische Ziele als ‚strukturell nicht friedlich‘ (ergo gewaltaffin) definiert werden, so dass man Versammlungen von Bürgern, die diese Meinungen vertreten, verbieten müsse.

Einer solchen „Dekonstruktion“ unserer Sprache mit dem Ziel, auch das Denken und die Vorstellungswelt der Menschen zu manipulieren, müssen wir ganz entschieden entgegentreten – nicht um einer bestimmten Haltung willen, sondern um den demokratischen Diskurs selbst zu  verteidigen.

Beste Grüße
im Namen der AfD-Fraktion
Dr. Michael H. Mayer, Stadtrat

Bild: pixabay (bearbeitet)